Mit dem Rudel staken
Geboren im thüringischen Zella-Mehlis führt das Leben Antje Krischock nach Lübben. Hier hat sich die 55jährige gemeinsam mit ihrem Lebenspartner eine Existenz aufgebaut die stark von der niedersorbischen Tradition geprägt ist. Sie beherbergen Feriengäste und bieten individuelle Kahnfahrten auf den weit verzweigten Fließen der Spree. Als Kahnfährfrau vermittelt Antje Krischock die sorbische Kultur.Antje Krischock
Was ist für Sie Heimat?
Heimat ist dort, wo man sich wohl fühlt. Dabei ist es eigentlich egal, wo man sich befindet. Ich fühle mich gut in meinem Leben und in meiner Situation. Mich faszinieren die sorbischen Traditionen. Ich würde gern noch ein bisschen mehr wissen über diese Kultur. Das Sorbische ist ein Teil meiner Wahlheimat und hat einen wichtigen Platz in meinem persönlichen Umfeld. Ich betreibe quasi jeden Tag Heimatkunde.
Wie sind Sie denn in den Spreewald gekommen?
Mich hat die Liebe hierher verschlagen. Ich lebe seit 20 Jahren mit meinem Partner zusammen, der von hier stammt. Aber dazu muss ich vielleicht etwas ausholen. Ich habe in meinem Leben schon viel gemacht. Als Jugendliche wollte ich unbedingt Hebamme werden. Gelernt habe ich dann jedoch Bürokauffrau, ohne je als solche zu arbeiten. Nach unruhigen Jahren bei der Bahn, in der Werbung und als mobile Kuchenbäckerin hat mir das Schicksal ein Stoppschild in den Weg gestellt: Bei mir wurde Krebs diagnostiziert. In solch einer Situation denkt man sehr intensiv über sein Leben nach.
Und haben Sie etwas geändert?
Ja, ich habe alles komplett umgekrempelt. Zusammen mit meinem Partner haben wir am Stadtrand von Lübben ein Haus mit vier Ferienwohnungen gebaut. Das liegt direkt am europäischen Fernwanderweg. Dann überraschte mich mein Mann mit der Neuigkeit, dass er einen Kahn gekauft habe. Für ihn war das etwas ganz Natürliches, konnte er doch als Kind eher mit dem Kahn fahren als mit dem Fahrrad. Aber für mich war es der Sprung ins kalte Wasser. Ich habe zuerst einmal einen Lehrgang als Kahnfährfrau absolviert. Dort lernt man, sich sicher mit dem Kahn auf der Spree und den Fließen zu bewegen – mit dem Motor oder stakend mit dem Rudel. Das Rudel ist eine vier Meter lange Stange, mit der wir unsere Kähne bewegen und lenken. Mit dem Kahnfahren habe ich meine Ruhe gefunden. Durch Wasser und Wald findet man zu sich selbst.
Was hat das alles mit den Sorben zu tun?
Wir leben im Spreewald. Und obwohl ich keine Sorbin bin, fühle ich mich von der sorbischen Kultur sehr angezogen. Ich trage beim Kahnfahren die sorbisch wendische Arbeitstracht, lerne sorbische Redewendungen und beschäftige mich intensiv mit sorbischen Bräuchen. Ich möchte unseren Gästen die sorbische Kultur näherbringen.
Wie kam es dazu?
Wichtig war für mich Marga Morgenstern, eine Dame, die als Urgestein des Spreewaldes gilt. Sorbisch sprechen, sorbische Tracht, sorbische Kultur wurden im Krieg verfolgt. Nach dem Krieg hat Marga Morgenstern angefangen, diese Tradition wiederaufzubauen. Sie hat mich sehr inspiriert. Ich bin davon überzeugt: Wenn man Kahn fährt, sollte man auch die sorbische Kultur pflegen und fördern.
Sie sind also sorbische Botschafterin ohne Sorbin zu sein?
Ja so kann man das ausdrücken. Unsere Gäste sind sehr wissbegierig. Sie wollen viel über die Traditionen des Spreewaldes erfahren. Deshalb unternehmen wir von unserem Steg aus die verschiedensten individuellen Fahrten. Wir vermitteln dabei wichtige Aspekte des sorbischen Brauchtums. Zum Beispiel mit traditionellem Essen. Da gibt es aus passendem Geschirr Kartoffeln, Quark, Grützwurst und Leinöl. Ich erzähle von den sorbischen Festen und Geschichten. Dabei lege ich viel Wert auf Authentizität und Korrektheit. Auch unsere Ferienwohnungen haben wir traditionell und thematisch sorgfältig eingerichtet. Wir wollen, dass sich unsere Gäste bei uns wohl fühlen und ein Teil unseres Glücks werden.
In welchen Momenten sind Sie persönlich denn glücklich?
Ich bin dann glücklich, wenn ich das machen kann, was ich möchte. Also bin ich immer glücklich. Ich bin angekommen.