Ich winsche Eich Glick, keen Haß und keen Streit…
Sie ist eine Legende im Spreewald. 1935 geboren, wächst Marga Morgenstern in einer deutsch-wendischen Familie auf. Die „wendsche“ Großmutter vermittelt ihr trotz des Verbotes der sorbischen Kultur und Sprache in der Nazizeit alles, was das Mädchen über Bräuche, Lieder und Trachten wissen muss. Nach den entbehrungsreichen Nachkriegsjahren lebt die Familie ein ganz normales Leben, bis Marga Morgenstern anfängt, Gäste in Tracht durch den Spreewald zu führen, Bücher zu schreiben und Gedichte zu verfassen.Marga Morgenstern
Liebe Marga Morgenstern, was verbindet Sie mit dem Spreewald?
Mein ganzes Leben ist mit dem Spreewald verwoben. Hier bin ich 1935 geboren. In Straupitz, einem kleinen Ort bei Lübben. Und hier werde ich an der Seite meines Mannes begraben sein. Der Spreewald ist meine Heimat. Die Familie meiner Mutter kam einst als Hugenotten ins Land und waren über Generationen Schmiede und Schlosser. Die wendische Familie väterlicherseits waren alle Stellmacher. Mein Vater wäre gern Tischler geworden. Aber es gab damals einen Beschluss, dass der Wendsche keinen Zugang zur Tischlerinnung hat. Noch heute freue ich mich über jedes Wagenrad, das sich jemand aus Holz fertigen lässt.
Welchen Einfluss hatten die wendischen Traditionen auf Sie in Ihrer Jugend?
Wir waren drei Geschwister. Mutti hat zu mir gesagt: „Zwei bei uns in der Schlafstube sind genug. Du schläfst bei Oma auf dem Auszug.“ Der Auszug, das ist das Altenteil. Und so brauchte ich keinen Lehrgang, um die wendische Kultur in mich aufzusaugen. Ich hörte die Lieder, hörte die Sprache, half meiner Oma, die verschiedenen Trachten anzulegen. „Margachen, unsere Tracht geht bisschen mit dem Alter mit – mit dem Kirchenjahr“, hat sie immer gesagt. Und das war mitten im Krieg. Das Wendische war doch verboten. Wenn Oma mit mir ein wendisches Wort sprach, fuhr meine Mutti immer gleich dazwischen – aus Angst, dass ich mich in der Schule verplappern könnte. Oma hat sich dann nicht mal mehr getraut, ihre Leider zu singen. Darüber war sie todtraurig.
Wie ging es nach dem Krieg weiter?
Das war eine schlimme Zeit. Mutti wusste oft nicht, was sie kochen sollte. Ich war in Straupitz in der Schule im ehemaligen Schloss derer von Houwald. Die Einwohnerzahl des Dorfes hat sich damals durch die Vertriebenen verdoppelt. Aber Streit wie heute, gab es deshalb nicht. Wir haben nach dem Motto „Einer trage des anderen Last“ gelebt. So sind wir zusammengewachsen – in Güte. Die Oma hat nach dem Krieg nicht wieder angefangen, Wendisch zu sprechen. Aber ihre Trachten in der Truhe hat sie geschützt wie ein Heiligtum.
Dann hat sie allerdings einen Rock nach dem anderen geopfert, damit Mutti uns daraus Anziehsachen nähen konnte. So war das damals.
Und wann verbesserte sich die Lage?
Das dauerte fast ein Jahrzehnt. Geheiratet haben mein Mann Werner und ich 1955. Ungefähr um diese Zeit fing es an, sich zu normalisieren. Mein Mann kam aus dem Erzgebirge und ist hier heimisch geworden. Nur das Stollenrezept haben wir uns angeheiratet. Das stammte von seiner Mutter. Und inzwischen backt meine Enkelin nach dem Rezept ihrer Urgroßmutter aus dem Erzgebirge. Wir hatten viele gute Jahre, haben im gleichen Betrieb gearbeitet. Das ganze Leben miteinander geteilt. Unsere erste Bleibe war die Gesellenstube über der Waschküche bei meinen Eltern. Und dann waren wir 1962 die Ersten in der neuen Genossenschaftswohnung. Mein Vater hat damals für uns die Aufbaustunden geleistet, die jedes Mitglied erbringen musste. Er hat als Stellmacher alle Balkone des Hauses mit Eichenbohlen verkleidet. Und jetzt wohne ich schon über 60 Jahre in dieser Wohnung. Hier sind unsere Töchter aufgewachsen. Hier waren wir glücklich.
Wo ist das Wendische geblieben in all den Jahren?
Das Wendische schlummerte in mir. Aber dann hat das mit den Gästeführungen angefangen. In einer Pension Butzen. Daraus hat sich eine wahre Leidenschaft entwickelt. Ich habe sofort die Tracht wieder angezogen und sie auch immer wieder ergänzt. Über die Jahre habe ich wahrscheinlich Tausende durch den Spreewald geführt. Und habe dabei auch immer versucht, unsere Geschichte und unsere Geschichten zu erzählen. Und die Gäste haben mir von ihrer Heimat erzählt. So habe ich Deutschland kennengelernt und unsere Gäste den Spreewald. Je tiefer ich mich mit der Historie beschäftigte, desto intensiver wurden mir meine eigenen Wurzeln bewusst.
Und dann begannen Sie, diese Geschichten aufzuschreiben?
Ja. Unser Heimatverlag hilft mir dabei. Inzwischen sind fünf Bücher entstanden über Geschichten, Geschichte, Trachten, Sitten, Bräuche meiner Heimat. Ein Kochbuch der alten Spreewälder Küche ist auch dabei. Den Leuten scheint es zu gefallen. Ich wurde sogar mit dem Domowina-Preis geehrt. Das ist die höchste Auszeichnung der Domowina. Da bin ich als Wendin schon sehr stolz drauf.
Liebe Marga Morgenstern, Sie gehören zu den wenigen Menschen, die die alte Spreewälder Mundart heute noch pflegen. Schenken Sie uns einen Auszug aus Ihrem Versen?
Ich winsche Eich Glick, keen Haß und keen Streit, nee imma bloß Zufriedenheit.
Wu Heischober duftn, wu der Raps goldn bliet, do sinn meine Treeme, schon von Jugendzeit.